Petrus und Paulus und die Gemeinde in Rom

Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom (Röm 6,3-4.8-11)
Schwestern und Brüder!
Wir, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, sind auf seinen Tod getauft worden.
Wir wurden ja mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod, damit auch wir, so wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, in der Wirklichkeit des neuen Lebens wandeln.
Sind wir nun mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden. Wir wissen, dass Christus, von den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt; der Tod hat keine Macht mehr über ihn.
Denn durch sein Sterben ist er ein für alle Mal gestorben für die Sünde, sein Leben aber lebt er für Gott. So begreift auch ihr euch als Menschen, die für die Sünde tot sind, aber für Gott leben in Christus Jesus.
Dieser Ausschnitt aus dem Brief des Apostel Paulus an die römische Gemeinde wird am Sonntag, einen Tag vor dem Festtag der Heiligen Petrus und Paulus gelesen.
Petrus hieß ursprünglich Simon und gehörte mit seinem Bruder Andreas zu den ersten Jüngern, die Jesus selbst in die Nachfolge berief. Jesus gab ihm den Beinamen Kephas = „Fels“, woraus lateinisch "Petrus" wurde. Nach dem Tod und der Auferstehung Jesu übernahm Petrus die Führung der Gemeinde in Jerusalem und gilt bis heute als erster Vorsteher der entstehenden christlichen Gemeinschaft, zu deren Zentrum sich bald Rom entwickelte.
Paulus war der führende Theologe in der Frühkirche. Er trat nach seiner Bekehrung in den Aposteldienst ein und missionierte in Kleinasien. Paulus erkannte als erster die universale Heilszusage des Christentums und setzte sich für eine freie Aufnahme von Heiden in die christliche Gemeinschaft ein.
Wir alle, so heißt es im Brief des Apostel Paulus an die Römer, sind getauft. Und durch die Taufe werden wir zu Christen. Als Christen sind wir im Glauben alle gleich – unsere Herkunft und unsere religiösen Wurzeln spielen keine Rolle mehr. Es spricht nichts gegen eine gemeinsame Tischgemeinschaft aller.
Auch für uns heute ist diese Überzeugung aktuell. Wir sind eine Gemeinschaft von Glaubenden. Uns verbindet die Taufe und unsere je eigene persönliche Beziehung zu Gott. Es macht keinen Unterschied, woher wir kommen, welches Geschlecht wir haben oder welchen sozialen Stand wir besitzen. Der Glaube in unserem Herzen, unser Leben im Geist Gottes macht uns zu dem, wer wir sind.
Die beiden Apostel verbindet u. a. ihr Märtyrertod in Rom.
Wie aber sah die erste römische Gemeinde in der Frühzeit der Christen überhaupt aus? Wer waren diese ersten Christen in Rom, an die sich Paulus in seinem Brief wandte?

Biblische Zeugnisse - Brief an die Römer
Das früheste verlässliche literarische Zeugnis über eine christliche Gemeinde im spätantiken Rom stammt aus der Bibel. Aus der Apostelgeschichte 28,14; 18,2 und dem Römerbrief.
Der Römerbrief wurde vermutlich in den Jahren zwischen 56—58 n. Chr. verfasst. Paulus schreibt diesen Brief als ein für sich selbst verfasstes Empfehlungsschreiben. Er benötigt römischen Beistand für seine weiteren Pläne: Paulus möchte seine Heimat in Kleinasien verlassen und in Spanien missionieren. Mit dem Brief hofft er auf strukturelle und finanzielle Unterstützung.
Wenn man Informationen über die Anfänge der römischen Gemeinde sucht, ist man auf den Paulusbrief und wenige außerbiblische Hinweise angewiesen. Dennoch lässt sich durch die Analyse ein einigermaßen rundes Bild der römischen Gemeinde im 1. Jh. entwickeln.

Rom – Stadtsoziologie und Kultur
In Rom, dem politischen Zentrum des Reiches, lebten im 1. Jh. bereits eine Million Menschen.
Die römische Gesellschaft des 1. Jahrhunderts war eine sozial differenzierte Vielvölkergemeinschaft: Neben der elitären römischen Bürgerschicht war die Stadt u. a. geprägt durch Handwerker, Sklaven, Freigelassene und Einwanderer.
Diese Gruppen unterschieden sich durch ihre Einbindung in römische Bürgerrechte. So fielen z. B. Freigelassene unter das (teilweise eingeschränkte) römische Bürgerrecht, das ihnen Schutz und (Teil)partizipation am gesellschaftlichen Leben ermöglichten, während berufstätige Einwanderer diesen Schutz nicht genossen. Damit verbunden dominierte in Rom eine ausgeprägte Segregation, also die sozialräumliche Trennung verschiedener Bevölkerungsschichten in einzelne Gebiete.
Wer - Namensanalyse
Röm 16 (gekürzt)
1 Ich empfehle euch unsere Schwester Phöbe, die auch Dienerin der Gemeinde von Kenchreä ist.
3 Grüßt Prisca und Aquila, meine Mitarbeiter in Christus Jesus,[...] nicht allein ich, sondern alle Gemeinden der Heiden sind ihnen dankbar. 5 Grüßt auch die Gemeinde, die sich in ihrem Haus versammelt! Grüßt meinen lieben Epänetus [...]
6 Grüßt Maria, die für euch viel Mühe auf sich genommen hat! 7 Grüßt Andronikus und Junia, die zu meinem Volk gehören und mit mir zusammen im Gefängnis waren. 8 Grüßt meinen im Herrn geliebten Ampliatus. 9 Grüßt Urbanus [...] und meinen geliebten Stachys!
10 Grüßt Apelles [...] Grüßt die aus dem Haus des Aristobul! 11 Grüßt Herodion, der zu meinem Volk gehört! Grüßt die aus dem Haus des Narzissus.12 Grüßt Tryphäna und Tryphosa, die sich im Herrn gemüht haben! Grüßt die geliebte Persis. 13 Grüßt Rufus [...] 14 Grüßt Asynkritus, Phlegon, Hermes, Patrobas, Hermas und die Brüder, die bei ihnen sind! 15 Grüßt Philologus und Julia, Nereus und seine Schwester, Olympas und alle Heiligen, die bei ihnen sind!
16 Grüßt einander mit dem heiligen Kuss! Es grüßen euch alle Gemeinden Christi.
Der Brief des Paulus an die Römer stellt eine vertrauensbildende Maßnahme dar und beinhaltet eine Grußbotschaft an 26 namentlich erwähnte Personen, siehe Röm 16. Aufgrund der Namen kann man sowohl auf die ursprüngliche Herkunft der Personen (Kleinasien oder Personen nicht-östlicher Herkunft) und auf die soziale Herkunft der Personen schließen.
Nach vorsichtiger Schätzung gehen Forscher von einem Verhältnis von 2 (freien Bürgern) : 1 (unfrei) aus.
Durch die Namensanalyse ist es ebenfalls möglich, auf die religiöse Zusammensetzung der christlichen Gemeinschaften zu schließen: die Namen lassen auf eine Mehrheit ursprünglich heidnischer Christen schließen. Die römische Gemeinde setzt sich demnach vorwiegend aus Heidenchristen und einer geringeren Anzahl an Judenchristen zusammen.
Die Namenaufzählung in Röm 16 lässt zudem Rückschlüsse auf die Struktur des stadtrömischen Gemeindewesens zu.
Die paulinische Anrede in VV 10; 11; 14; 15 richtet sich jeweils an unterschiedliche Gruppen. Die römische Gemeinde war in verschiedene, vermutlich 7 Gruppen fragmentiert. Diese Gemeinschaften trafen sich sehr wahrscheinlich im 1./2. Jh. noch in alltäglich genutzten Wohnräumen (vgl. Apg 20,7ff.), denen auch Frauen vorstanden. Erst ab Mitte des 3. Jh. sind Begriffe für separate Gottesdiensträume nachweisbar.
Frühchristliche Zeugnisse und hier der Paulusbrief zeigen sehr deutlich, dass Frauen selbstverständlich im Dienst der Verkündigung, des diakonischen Dienstes und in die Leitung von Hausgemeinschaften integriert waren.

Wo – Begräbnistradition und Synagogen
Die Begräbnistradition im frühchristlichen Rom lässt Rückschlüsse auf die Bevölkerung einzelner Stadtviertel zu. Die Begräbnisstätten befanden sich an den großen Ausfallstraßen der Stadt und wurden von den am nächsten liegenden Stadtvierteln genutzt. Die Lage der christlichen Begräbnisstätten / Katakomben lässt somit Rückschlüsse auf den Wohnort, bzw. den Sitz der Gemeinschaft der dort begrabenen Christen zu. Im Kern sind die frühen christlichen Katakomben Privateigentum erster Christen, die erst im Laufe der ersten zwei Jahrhunderte den Status kollektiven Gemeinschaftseigentums erlangten.
Da die ersten Christen aus jüdischen Gemeinden erwuchsen, ermöglichen zudem die Orte der vor- und frühchristlichen jüdischen Synagogengemeinden eine Aussage über die lokale Anbindung erster Christen.
Das Ergebnis der Einzelnachweise lässt vermuten, dass die ersten Christen in den Stadtvierteln Trastevere und Appia/Porte Capena zu finden waren.

Soziales Milieu
Aus den Stadtviertel Trastevere und Appia/Porte Capena lassen sich soziokulturelle Rückschlüsse auf das Milieu des stadtrömischen Frühchristentums ziehen: erstens grenzen beide Stadtviertel an die östlichen Einfallsrouten der Stadt, an die Via Appia und den Tiber, über die neue Einwanderer in die Stadt gelangten.
Zweitens liegen beide Stadtteile in klimatisch ungünstigen Niederungen, was eine Armutssegregation zur Folge hatte.
Die ersten stadtrömischen Christen entstammten wohl diesem sozialen Einwanderungsmilieu. Eine Vielzahl der ersten Christen besaß kein römisches Bürgerrecht, was durch die Strafformen der unter der Christenverfolgung Neros (64 n. Chr.) getöteten Christen untermauert wird. Die Christen wurden gekreuzigt, aber Kreuzigungen waren nur für nichtrömische Staatsbürger vorgesehen.
Es deutet zudem jedoch auch vieles darauf, dass bis Ende des zweiten Jahrhunderts christliche Gemeinschaften ebenfalls in den reicheren Stadtvierteln des Aventins und des Marsfeldes entstanden.
Die Erkenntnislage über das Vorkommen von Christen in diesen beiden Stadtteilen zur Frühzeit des römischen Christentums ist durch archäologische Funde nicht explizit gesichert, aber sehr wahrscheinlich. Dafür spricht die Tatsache, dass Paulus im Römerbrief auf soziale Spannungen reagiert (Röm 12,13), welche sich nur aus der sozialen Verschiedenheit seiner Adressaten erklären lassen.

Wie - Gemeindestruktur
Wie oben beschrieben fanden die ersten Gottesdienste im 1./2. Jh. in privat genutzten Räumen statt. Gemeinschaftlich genutztes Privateigentum (Apg 2,42-47; 4,32-37) entsprach den juristischen Möglichkeiten. Gemeinschaftliches Vereinseigentum war verboten und kann erst im 3. Jh. nachgewiesen werden.
Die Einladenden waren Namensgeber der Hausgemeinden. Es können verschiedene Typen von Hausgemeinden in Rom unterschieden werden:
erstens diejenigen, die von ihrer Umwelt wohl als normale Gastgeber wahrgenommen wurden, zweitens Hausgemeinden, die sich um einen Lehrer gruppierten (Justinkreis), drittens eher wie Mysterienkulte wirkende Gemeinschaften (Valentinianer) und viertens Kultgemeinschaften zwischen Sklaven und ihren Herren.
Weitere Differenzierungen ergaben sich aus Bildungsmilieu- und Kulturzugehörigkeit. Es zeugt von einer gewissen Verbundenheit und einer einheitlichen Außenwirkung der römischen Gemeinden, dass Paulus von der Weitergabe seines Briefes zwischen den fragmentierten Hausgemeinden in Rom überzeugt ist.
Bild: Patrick Denker, erhaltenes Haus in Ostia Anica, Quelle: Wikipedia

Wie ging es weiter
Bis zum Ende des 2. Jh. lassen sich jedoch - gut belegt - zunehmend soziale Unterschiede, eine Zunahme finanziell gut ausgestatteter und einflussreicher Christen, sowie ein stetiges Anwachsen der stadtrömischen Gemeinde ausmachen.
Mitte des 2. Jh. ist die römische Gemeinde wohl finanziell und geistig gut ausgestattet, ethnisch und in Bezug auf die religiöse Erstprägung ihrer Mitglieder plural und innerhalb ihrer Gemeinschaft differenziert.
Tertullian und Hippolyt Ende des 2. / Anfang des 3. Jh. bezeugen Christen in der senatorischen Oberschicht (Tertullian), bzw. reiche Frauen in der Nachfolge Christi.
Die Schrift der Traditio Apostolica (Anfang 2. Jh.) beschreibt differenziert die diakonischen und finanziellen Dienste und Aufgaben innerhalb der christlichen Gemeinden.
Die Entwicklung der christlichen Gemeinschaft korreliert dabei weitgehend mit der zunehmenden politischen Gesamtentwicklung der römischen Stadtbevölkerung, wobei innerhalb der christlichen Gemeinschaft der Anteil reicher Frauen proportional groß ist.
Bild: Dionysia, Martyrerin 3. Jh.
Literatur
Ebner, Martin (2012): Die Stadt als Lebensraum der ersten Christen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Knapp, Robert (2011): Römer im Schatten der Geschichte. Gladiatoren, Prostituierte, Soldaten: Männer und Frauen im Römischen Reich. Stuttgart: Klett-Cotta.
Lampe, Peter (1987): Die stadtrömischen Christen in den ersten beiden Jahrhunderten. Tübingen: Mohr Siebeck.
Weiß, Alexander (2015): Soziale Elite und Christentum. Studien zu Ordo-Angehörigen unter den frühen Christen. Berlin: de Gruyter.
Text: Andrea Strickmann