80jähriges Lektorenjubiläum: Interview mit Dr. Bernhard Worms

Das Bild zeigt Dr. Bernhard Worms als Lektor am Ambo unserer Kirche St. Kosmas und Damian in Pulheim während seines Jubiläumsgottesdienstes.
Seinen ersten Einsatz als Lektor, also als Vortragender einer biblischen Lesung im Rahmen eines Gottesdienstes, hatte Herr Dr. Bernhard Worms im Alter von 10 Jahren - das war 1940!
Herr Dr. Worms kann damit auf ein unglaubliches 80jähriges Lektorenjubiläum zurückblicken. Und auf ebensolange Erfahrungen mit Kirche und Politik, Gemeinde und Gesellschaft, die er Zeit seines Lebens tatkräftig mitgestaltet hat.
Wir danken Herrn Dr. Worms sehr herzlich für das hier zu lesende Interview. Und den gewährten Einblick in seinen Erfahrungsschatz, seine Reflexionen und auch in seine persönliche Spiritualität. Wir sind stolz und sehr dankbar, ihn in unserer Mitte zu wissen.
Sehr geehrter Herr Dr. Worms. Könnten Sie sich bitte kurz unseren Leser*innen vorstellen
Mein Großvater, geb. am 4.1.1857, kommt aus Straberg (heute Stadt Dormagen) und ist mit seiner Frau, die in Delhoven (ebenfalls Stadt Dormagen) groß geworden ist, im Jahre 1900 nach Pesch (heute Köln–Pesch) gezogen. Er arbeitete als Melker auf dem Bauernhof der Familie Schumacher.
Hier war auch mein Vater (geb. am 12. Juni 1889) bis 1912 tätig. Danach ging er zur damaligen Reichsbahn und wurde nach dem 1. Weltkrieg zur Reichspost versetzt, bei der er bis zu seinem Tode 1951 im Paketpostamt im einfachen Dienst gearbeitet hat.
Ich selbst bin in Pesch 1936 in die damalige einklassige Volksschule eingeschult worden. Nach vier Jahren besuchte ich dann die Oberschule für Jungen in Köln in der Spiesergasse, wechselte dreimal – kriegsbedingt – das Schulgebäude und kam nach Wiederbeginn der Schule 1945 zum Gymnasium Köln–Nippes.
Wichtig ist festzuhalten, dass ich bereits 1940 (mit zehn Jahren) gefirmt worden bin; dies war in St. Gereon in Köln zusammen mit meiner heutigen Frau, die wie ich als Bürgerin von heute Köln–Auweiler in der gleichen Pfarre in Köln-Esch, St. Martinus, groß geworden ist.
Nach dem Abitur habe ich eine Lehre gemacht in Köln–Mülheim als Eisenhüttenkaufmann, danach in Köln und Graz studiert und bin 1960 als Wirtschaftsreferendar zur Deutschen Post gegangen.
Politisch bin ich seit 1949 in der CDU tätig. Habe vom Gemeindeverband Sinnersdorf bis zum Bundesverband viele Parteiämter ausüben dürfen, wurde 1958 Mitglied im Amtsrat von Pulheim, danach 17 Jahre im Gemeinderat Pulheim, zeitgleich im Kreistag, 1975 – 1983 Landrat, 1983 Vorsitzender der CDU Landtagsfraktion, 1985 Spitzenkandidat der CDU für die Landtagswahl und 1991 Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium.
In diesen Jahren war ich zeitgleich auch in allen kath. Vereinen unserer Pfarre tätig und habe als Vorsitzender den Pfarrgemeinderat nach seiner kirchenrechtlichen Einrichtung einige Jahre geleitet.
Mein Traum war seit meiner Jugend: Pulheim zu einer selbständigen Stadt auszubauen. Diesen zu verwirklichen ist bis heute mein großes Anliegen.
Sie haben ein nicht alltägliches Jubiläum gefeiert: 80 Jahre Lektorenamt in St. Kosmas und Damian. Können Sie sich an Ihren ersten Einsatz als Lektor erinnern?
Sehr gut; denn damals standen SA-Leute in Uniform unmittelbar an der Eingangstüre zur Kirche! Die Hitlerjugend musste in der Regel sonntags, vormittags, antreten und ein Mittun in der Kirche war in den Augen der damals Mächtigen nicht gewollt!
Damals sagte Pfarrer Johannes Prassel zu mir sinngemäß: „Bernhard du bist jetzt gefirmt, du gehst zur Höheren Schule, du bis schon länger Messdiener, du musst dich jetzt vorbereiten, um mir beim Gottesdienst zu helfen, indem du vorbetest!“.
Diese Tätigkeit war nicht vergleichbar mit der eines Lektors von heute; denn bis zur Reform des Gottesdienstes in den 60-er Jahren haben nur Priester die Lesung – und dazu in Latein – am Altar vorgetragen.
Damals übernahm der Vorbeter das Stufengebet, das schon in deutscher Sprache gesprochen wurde, das Credo, ebenfalls in Deutsch, die Ansage der Liedernummern im Gebetbuch und vor allem den Rosenkranz. In der Andacht, die zu besuchen Pflicht war, übernahm man Texte, die zuvor der Pastor ausgesucht hatte. Man war damals im Wortsinne Hilfskraft während des Gottesdienstes.
Haben Sie eine Lieblingslesung?
Ich trage gerne aus den Briefen des hl. Paulus vor und hier die Stelle, wo Christus zu seinen Jüngern sagt: „Ich gehe zu meinem Vater, um für Euch eine Wohnung zu bereiten; denn ich will, dass ihr dort seid, wo auch ich bin!“
Was ist das Besondere für Sie an genau diesem Engagement?
Ein-e Lektor-in sollte das Wort Gottes stets so vortragen, dass ein aufmerksamer Zuhörer sich gedanklich mit dem auseinandersetzen kann, was Gott seinem „Freund“ in der Lesung vermitteln will, damit dieser daraus auch für sein Leben Schlussfolgerungen zieht.
Der Lektor von heute hat Anteil am Priesteramt, deshalb gilt für ihn das Gebot: Denke daran, dass jedes Wort, was Du aussprichst, auf den Teilnehmer der hl. Messe glaubwürdig wirkt!
Gibt es eine Situation, ein Gottesdienst der Ihnen in ganz besonderer Erinnerung geblieben ist?
Höhepunkt meines Lektorenamtes war in Rom, als mich der Prälat der deutschen Botschaft im Vatikan bat, unmittelbar am Grabe des hl. Petrus - unterhalb der Vatikanbasilika - das Lektorenamt zu übernehmen, als dort - zusammen mit Personen aus unterschiedlichen christlichen Kirchen - das Messopfer gefeiert worden ist.
Sie haben viele Veränderungen in der Gemeinde erlebt. Ist eine davon besonders erwähnenswert?
Unsere Pfarre hat sich mit der Zivilgemeinde nahezu fünfmal vergrößert. Sie hat bedingt durch die Nachriegsentwicklungen infolge der Siedlungspolitik auch großer Firmen (Fordwerke) Zuzüge aus allen Gegenden des früheren Deutschen Reiches und seit den siebziger Jahren aus dem europäischen Ausland integrieren müssen, was zur Zeit von Pfarrer Wilhelm Scheffers und Kaplan Fritz nahezu die Gemeinde gespaltet hätte, sodass wir harte Diskussionen durchstehen mussten, die wir aber dank der hier längere Zeit (12 und mehr Jahre) tätigen Pfarrer und ihrer Kapläne im Ergebnis gut überstanden haben.
Fazit: Mich hat überrascht und beglückt, wie gut wir die Reformen im Gottesdienst nach dem zweiten vatikanischen Konzil angenommen und auch Beiträge zu ihrer Weiterentwicklung geleistet haben.
Gab es auch sehr schwierige Zeiten?
Ja. Als Pfarrer Scheffers den Personalchef unseres Erzbistums eingeladen hatte, um mit ihm wegen seines Kaplans zu reden, lud er auch mich zu diesem Gespräch ein, um seine Ausführungen zu unterstützen. Da ich dies nicht getan habe, kam es leider zum Bruch zwischen uns, der nicht mehr geheilt werden konnte, was mich noch heute belastet.
Die Zeiten der inneren Reform in unserer Kirche waren in Pulheim deshalb sehr hart, weil durch die starken, unkalkulierbaren Zuwächse der Mitgliederzahlen, jeder sein ‚Bild‘ von der Kirche mitbrachte, sodass er Vorhandenes und Alt-Gewohntes kaum miteinander in Einklang bringen konnte!
Für die Ausübung eines Amtes in der Pfarrei wird daher in Pulheim die Gabe eines besonders gut ausgebildeten Einfühlungsvermögen erwartet.
Was wünschen Sie der Gemeinde für die Zukunft?
Mein Wunsch für die Zukunft ist, dass wir festhalten an der hier vorhandenen über viele Jahre guten Ökumene, jeder Generation eine Heimat bieten, die Sozialarbeit auch mit Vereinen und der Stadt weiter intensiv ausüben, neu Zukommenden spürbar die Hand zum Gruß und zum Angebot einer christlich gebotenen Zusammenarbeit reichen, an der Erneuerung unserer Kirche kräftig mitarbeiten, wobei uns die Worte unseres Papstes aber auch die der Deutschen Bischofskonferenz die anzustrebenden Ziele bindend vermitteln.

Was sind Ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen für die Zukunft?
Mein Wunsch ist, dass glaubensstarke Christen das Leben in Staat und Kirche weiter entscheidend mitbestimmen und durch ihre Haltung mitprägen, dass wir in EUROPA zum Felsen in der weltpolitischen Brandung werden, der Garant ist für die Werte der Freiheit, Gleichheit und die der Solidarität, dass Toleranz gegenüber jedermann die Atmospäre ausfüllt und dass jeder von uns alle seine Kräfte bündelt, um als Zeuge des Glaubens Menschen an unseren Lebensweg zu binden.
Gibt es etwas, was Sie Lektorinnen und Lektoren gerne mit auf den Weg geben möchten?
Den Damen und Herren Lektorinnen und Lektoren wünsche ich, dass sie sich zur Elite unserer Pfarrei zugehörig fühlen, und so ein besonderes Vorbild sind, das Dienen, Verzichten, für andere Dazusein so stark vermittelt, dass ein jeder sich sicher ist: unsere Pfarre St. Kosmas und Damian ist ab sofort meine Heimat, hier fühle ich mich geborgen, hier bin ich Zuhause.
Ein konkreter Wunsch zum Schluss für die Zukunft dieser Pfarrei
So wie wir im alten Rathaus eine Gesprächsreihe gehabt haben: „Pullemer Verzällche“, so ist es mein Wunsch, dass sich eine kleine Arbeitsgruppe bildet, die bezogen auf die Etappen der Entwicklung unserer Pfarrei das Besondere in Pulheim aufbereitet, Zeitzeugen zum Gespräch einlädt, und sich auch der Frage stellt: „Welche Schlussfolgerungen können wir aus dem Abend für eine gute, glaubensstarke Zukunft mitnehmen?
Dr. Bernhard Worms